Das besondere Fossil

April 2010- Parapinacoceras cf. DIENER 1915
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Parapinacoceras cf. DIENER 1915
Breite = 25 cm; Höhe = 18 cm
Oberer Muschelkalk, enodis/posseckeri-Zone
Ettenhausen bei Eisenach
Leg.: P. Thieme

An der Basis des „Oberen Muschelkalkes“ erfolgte über die Burgundische Pforte eine Invasion mariner Organismen aus der austroalpinen Faunenprovinz in den neu entstandenen Lebensraum. Dabei fanden einige Organismen wie Tetractinella trigonella, Chelocrinus schlotheimi oder Lissocardia silesiaca nur sehr kurzzeitig optimale Lebensbedingungen. Encrinus liliiformis hielt sich bis an die Spiriferina-Bank. Nur wenigen Tiergruppen wie Coenothyris vulgaris und Germanonautilus gelang die optimale physiologische Anpassung an offensichtlich spezifische ökologische Verhältnisse. Die phylogenetische Entwicklung der Biospezies Ceratites nodosus steht dabei für das beispielhafte Exempel eines Speziationsprozesses. Im Oberen Muschelkalk entstand somit eine eigene Faunenprovinz.

Alle späteren Immigrationsversuche scheiterten am fehlenden Vermögen der Organismen sich dauerhaft an das spezifische Milieu mit seinen sich häufig ändernden Umweltfaktoren anzupassen. Dazu gehört der Neufund eines auffallend exotischen Immigranten aus dem Chronohorizont der enodis/posseckeri-Zone (REIN 2009). Mit seiner ungewöhnlichen Größe (geschätzter Enddurchmesser größer als 45 cm) und einer komplizierten ammonitischen Lobenlinie gehört dieses Ammonitenbruchstück zu den fossilen Besonderheiten des Oberen Muschelkalkes.


Abb. 2: Die Progenese-Ceratiten C. posseckeri (9 cm) und C. enodis (12 cm) und der bis 30 cm Größe erreichende Germanonautilus bidorsatus im Größenvergleich mit dem schematisch scheibenförmigen ergänzten Immigranten-Gehäuse.



Abb. 3: Die beidseitig diagenetisch zu kleinen Pyramiden geformten Conellen am schmalen gerundeten Externteil sind Reste einer ursprünglich dicken Originalschale.


Die Gegenüberstellung des Immigranten mit den zeitgleichen Cephalopoden der enodis/posseckeri-Biozone, Ceratites und Germanonautilus, verdeutlicht die gewaltigen Größenunterschiede. Der erhaltene Phragmokon-Rest ist lateral skulpturlos und besitzt einen schmalen gerundeten Externteil. Das vordere unpräparierte Teilstück wurde nach intensiver Suche nachträglich gefunden und angefügt, die umbilikalen Reststücke gingen jedoch verloren. Damit fehlen mit dem Nabel wichtige Details zur gesamten Gehäusemorphologie. Die vergleichsweise übereinstimmende scheibenförmige Gehäuse-Morphologie des exotischen Gastes mit den Muschelkalk-Discoceratiten aus der semipartitus/meissnerianus-Biozone überrascht.

Ähnliche oxicone Morphen aus der tethyalen Trias sind aus den Familien der Ptychitidae, der Pinacoceratitidae und Gymnitidae bekannt (DIENER 1900). Hinweise, zu welcher Familie das fossile Bruchstück gestellt werden könnte, sind wegen der fehlenden Gehäuse-Gesamtmerkmale nur über Vergleiche der Lobenlinien zu erwarten.


Abb. 4: Die von den Individuen der Familien Pinacoceratitidae und Gymnitidae gebildeten Adventiv-Elemente (AdS = Adventivsattel) der Lobenlinie sind ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal auf Familienebene zur Sutur der Ptychitidae. Sie favorisieren die Zuordnung des Muschelkalk-Immigranten zur Gattung Parapinacoceras (DIENER 1915).


Mit der gemeinsamen Ausbildung von Adventivloben (DIENER 1915) scheint die genetische Zugehörigkeit des Immigranten zur Superfamilie der Pinacoceraceae vorläufig belegt. Ursprünglich favorisierte Bestimmungen als Sturia oder Discoptychites (Gattungen der Ptychitidae) werden damit hinfällig. Die endgültige taxonomische Zuordnung bleibt der aktuellen weiteren Bearbeitung vorbehalten.

Herrn Peter Thieme (Weimar) gebührt der Dank dafür, dass er als Finder das Belegstück dem Fundus des Naturkundemuseums Erfurt übergab und damit eine offizielle Publizierung ermöglicht. Für die umfassende fachliche Unterstützung mit Hinweisen und spezieller Literatur bedanke ich mich bei Herrn Oskar Irnstorfer (Timelkam/Österreich).

Literatur:

DIENER, C. (1900): Die triadische Cephalopodenfauna der Schichlinghöhe bei Hallstatt.- in Beiträge zur Paläontologie und Geologie Österreich Ungarns und des Orients; Ed. Dr. G. v. Arthaber; Band XIII, Wien und Leipzig 1901; Seite 3-42 und 3 Tafeln.
DIENER, C. (1915): Über Ammoniten mit Adventivloben. – Denkschr. d. k. Akad. der Wissensch.. 93, 139-199, 2 Taf.. Wien 1917 (Erscheinungsjahr).
REIN, S. (2009): Stratigraphie und Fossilführung im Oberen Muschelkalks bei Eisenach und Jena.- Vernate 28; 31-49, 10 Abb., 7 Taf., Erfurt.