Das besondere Fossil

März 2010- Ceratites evolutus PHIL. „extreme Epökie“
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Ceratites evolutus PHIL. “extreme Epökie”
Oberer Muschelkalk, evolutus-Zone Troistedt, Spiriferina-Bank +20 cm
Gehäusegröße 8 cm

Das Aufwachsen von sessilen Organismen wie Muscheln auf Ammonitengehäusen wird mit Epökie bezeichnet. Geschieht dies bereits zu Lebzeiten des Wirtes handelt es sich um “echte Epökie“. Der sicherste Nachweis dafür erfolgt durch das Überwachsen des festsitzenden Epöken. Als erster beschrieb PHILIPPI (1899) einen Ceratiten, der mit der Wohnkammer mehrere Placunopsis überwachsen hatte und sah darin einen Beweis dafür, dass die Besiedlung zu Lebzeiten erfolgt sein musste.
Im Medianschnitt ist der „lebendig begrabene“ Placunopsis-Körper im Gehäuseinneren des C. compressus bei einem Durchmesser von 25 mm sichtbar. Die Besiedlung des juvenilen Ceratiten durch eine frei bewegliche Placunopsis-Veliger-Larve erfolgte bei einer Gehäusegröße zwischen 23 – 35 mm. Das Überwachsen des Epöken begann bei einem Scheibendurchmesser von 42 mm - dort hatte Placunopsis ostracina bereits eine Größe von 16 x 5 mm erreicht - und endete bei einem Durchmesser von 49 mm. Die doppelklappige Muschel erstreckt sich über 70° der Wohnkammer und bewirkt dabei eine auch außen sichtbare Richtungsänderung des Gehäusebaus. Trotz der beträchtlichen Deformation überdeckt die geschlossene Gehäuseröhre umbilikal stets die darunter liegende Windung.


Abb. 2: Original REIN (2006; Abb. 11): C. compressus “E”, echte Epökie, D2 = 37 mm; DPlac = 32 mm, Placunopsis 16 x 5 mm, NKE Nr. 91/644


Beim anomalen C. evolutus ist die Windung anfangs völlig normal aufgerollt und normal skulpturiert. Erst beim beginnenden Überwachsen des Epöken verlässt die Schalenröhre unvermittelt die Spirale und verläuft kurzzeitig geradeaus. Dabei verliert die Röhre umbilikal den Kontakt zur darunterliegenden Windung (a).


Abb. 3: C. evolutus mit zweistufiger Graumarkierung der Epökenlage, dabei entspricht “a” = Abschnitt der völligen Lösung von der unteren Schalenröhre, “b” = Marginalkante der unteren Schalenröhre, “c” = natürliche Position der Umbilikallage ohne Epöken


Wie der Organismus trotzdem, wenn auch vergeblich, immer wieder versucht den genetisch angelegten Spiralbogen der äußeren Schalenröhre anzulegen, ist an den ventral ausgebildeten „ringrippigen“ Skulpturelementen deutlich nachzuvollziehen.


Abb. 4: Ventrale Skulpturierung als Ausgleich für den nicht zu realisierenden genetisch angelegten Spiralbogen der Gehäuseröhre


Obwohl bei Ceratiten das Überwachsen von Epöken nicht zu den Seltenheiten gehört, ist die beschriebene anomale Ausbildung mit völliger Lösung der oberen von der unteren Schalenröhre mit ausgleichender ventraler Skulpturbildung als „extreme Epökie“ ein Unikat.

Lediglich bei einem C. compressus PHIL. aus Schöningen führten sehr große von der Wohnkammer überwachsene Placunopsis gleichfalls zum kurzzeitigen Lösen der äußeren Gehäuseröhre von der Spirale. Im Unterschied zum evolutus wurde dabei jedoch lediglich die laterale Skulpturbildung geringfügig beeinflusst und die Ventralseite blieb unverändert glatt.


Abb. 5: Original REIN (1996; Abb. 8): C. compressus Phil., compressus-Zone Schöningen, leg. Klages, NLMH 52238, DE = 79 mm.


Als Auslöser für diese offensichtlich vom Ceratitenorganismus nur schwer zu tolerierende Missbildung kommen ungewöhnlich großwüchsige Epöken in Betracht. Mit lediglich zwei Belegen bleibt das durch „extreme Epökie“ verursachte zeitweilige Ablösen der Gehäuseröhre von der vorigen Windung die seltenste Gehäuse-Anomalie der Ceratiten.

Literatur:

PHILIPPI, E. (1899): ..ein interessantes Vorkommen von Placunopsis ostracina V. SCHLOTHEIM. sp. – Z. Dtsch. geol. Ges., 51: 67-69, 2 Abb., Berlin.
REIN, S. (1996): Über Epöken und das Schwimmvermögen der Ceratiten.- Veröff. Naturhist. Mus. Schleusingen, 11, 65-75, 13 Abb., Schleusingen.
REIN, S. (2006): Zur Biologie der Ceratiten der compressus-Zone - Ergebnisse einer Populationsanalyse.- Veröff. Naturkundemuseum Erfurt, 25: 47-68, 29 Abb., Erfurt.