Das besondere Fossil
Juli 2010- Lissocardia silesiaca v.MEYER 1847
Erste Funde von Lissocardia silesiaca beschrieb v. Meyer 1847 aus dem Unteren Muschelkalk von Oberschlesien.
Weitere Nachweise aus dem Unteren Muschelkalk liegen aus Brandenburg und Baden-Württemberg vor.
Lissocardia silesiaca ist als Immigrant zu Beginn des neu entstandenen marinen Lebensraums des germanischen
Oberen Muschelkalks bisher nur in Osthessen (Raum Fulda) und Sachsen Anhalt (Querfurt) nachgewiesen und
von A. GARASSINO, A, HAGDORN, H. & SCHULZ, M. (1999 / 2000) publiziert. Das abgebildete Exemplar schließt
eine wichtige geografische Fundlücke im horizontalen Verbreitungsgebiet dieser markanten Art. Lissocardia
scheint in seinem Auftreten explizit an die Knauerkalk-Fazies im unmittelbaren Liegenden der Tetractinella-Bank
gebunden zu sein und lässt aufgrund seiner zeitlich (vertikalen) sehr begrenzten Verbreitung auf eine hohe
Spezialisierung – bzw. auf sehr spezielle ökologische Anforderungen an seinen Lebensraum – schließen. Das
von GARASSINO ET AL 1999/2000 erwähnte Stück mit der Nr. CHK 22019 aus Troistedt, musste nach weiterer
Präparation als Aspidogaster sp. bestimmt werden ( mündl. Mitteilung M. Schulz ). Bei dem vorliegenden
Exemplar handelt es sich also definitiv um den Erstnachweis aus Thüringen.
Die Art wurde von GARASSINO ET AL aufgrund des hervorragenden und zum Teil vollständig erhaltenen Materials aus Großenlüder zur Familie der Nephropidae gestellt. Sie ist vor allem durch die stark verlängerten Scheren (1.Pereiopodenpaar) sowie dem rechteckig erscheinenden Kopf-Brustschild (Cephalotorax) mit starker frontaler Bedornung erkennbar. Die ersten zwei Laufbeinpaare (2. und 3. Pereiopodenpaar) tragen ebenfalls kleinere Scheren. Das 4. und 5. Pereiopodenpaar hingegen sind lediglich mit je einer Klaue ausgestattet.
Das abgebildete Fossil liegt in einer für Lissocardia typischen Erhaltung als artikuliertes Häutungshemd vor. Das Stück
ist bis auf die fehlende rechte Schere (1. Pereiopode rechts) vollständig. Durch das fehlende Scherenbein ist der
Blick auf die Kopfpartie des Tieres möglich. Beide Antennen sind erkennbar. Sie liegen übereinander und ragen im
Bild in Richtung des abgestreckten linken Scherenarms nach rechts oben. Die zweigeißeligen Antennulae sind ebenfalls
erhalten und liegen im Bild als haarfeine Strukturen im unteren Bereich der Knolle – direkt rechts vor den
scherentragenden Laufbeinen des Tieres. Des Weiteren sind beide „Hilfsbeine“ (3. Maxilarfusspaar) nahe der
Mundöffnung, die meisten Laufbeine (Pereiopoden) – sowie der vollständige Schwanz (Abdomen) mit einigen
Schwimmbeinen (Pleopoden) sichtbar.
Der Kopf-Brustschild (Cephalotorax) ist im Bild leicht schräg nach rechts oben geklappt. Diese Haltung und der
fast senkrecht nach unten abgeknickte Schwanz des Tieres – sowie die Stellung der Laufbeinpaare nach schräg
vorne und der Großschere nach schräg oben – sind eindeutige Hinweise für den Häutungsvorgang beim Wachstum des Krebses,
wie auch bei rezenten Formen zu beobachten ist. Dabei schlüpft das Tier durch die so entstehende Öffnung
(im Bild links oben) zwischen Kopf-Brustschild und Schwanz vollständig aus seinem alten Panzer. Die Augen, prinzipiell
erhaltungsfähig bei echten Leichen (M. SCHULZ 2002), sind beim Häutungshemd, wie auch an diesem Stück, nicht zu
erwarten. Lediglich ein dünnes Häutchen über den eigentlichen Augen stülpt sich beim Häuten nach innen, wie
Beobachtungen an rezenten Flusskrebsen gezeigt haben (mündl Mitteilung M. SCHULZ).
Die aufwändige Präparation (etwa 18 Arbeitsstunden) des Fossils erfolgte in bewährter Weise mit Druckluftsticheln
der Fa. Hardy Winkler.
Literatur:
GARASSINO, A., HAGDORN, H. & SCHULZ, M. (2000): Krebse aus dem Oberen Muschelkalk von Großenlüder (Hessen) - Beiträge zur Naturkunde in Osthessen 35: S. 27-38, 12 Abb., 1 Tab.; Fulda.
SCHULZ, M. (2002): Krebse aus dem Oberen Muschelkalk von Osthessen und Thüringen. Pseudopemphix albertii (H. V. MEYER, 1840) - Veröffentlichungen Naturkundemuseum Erfurt 21; Erfurt.