Das besondere Fossil

Oktober 2010- Coenothyris vulgaris in selektiver Verkieselung
pdf

Coenothyris vulgaris SCHLOTHEIM
Adultes Exemplar. Gehäusebreite 6,1 mm.
Oberer Muschelkalk. Trochitenkalkfolge. Dürrengleina (50° 51.420'N, 11° 32.880'E)
Salzsäurepräparat aus einem Lesestein mit Tectractinella trigonella

Der im Muschelkalk überaus häufige Brachiopode Coenothyris kommt im Trochitenkalk bei Jena in einem besonderen Erhaltungszustand vor: Die ursprüngliche Kalkschale wurde während der Diagenese fast vollständig in Quarz umgewandelt, das angrenzende Sediment dagegen nicht.
Es ist ein Leichtes, solche Fossilien mit Salzsäure aus dem Gestein herauszulösen


Abb. 2: Röntgenschattenprojektion des gleichen Exemplars. Stereobildpaar.



Abb. 2a: Alternativ als Anaglyphenbild


In der Bildmitte zu sehen ist das Brachidium - der zu Lebzeiten kalkige, schleifenförmige Stützapparat des Verdauungsorgans. Er wird aus der inneren Schale gebildet und ist auf der (kleineren) Armklappe am Schloßrand befestigt. Die (größere) Stielklappe ist für den Stiel durchbohrt, woraus der ältere Name "Terebratel" von lat. terebrare = "durchbohren" herrührt.

Die voll entwickelte, rückwärts herzförmig eingebogene Form der Schleife kennzeichnet ein erwachsenes Tier.

Der Erhaltungszustand der selektiven Verkieselung

Die Interpretation verkieselter Fossilien ist nicht unproblematisch. Die feineren Schalenstrukturen können bis zur Unkenntlichkeit umgewandelt sein, die Präparation mit Säuren zerstört dann noch den Rest originaler Substanz.

So hatte KOSCHINSKY 1878 als Pionier bei der Präparation verkieselter Terebrateln aus dem alpinen Recoaro - vor allem, weil ihm unsere modernen Hilfsmittel noch nicht zur Verfügung standen - mit einigen schweren Irrtümern zu kämpfen.


Abb. 3a: Der Schliff durch Zahn und Zahngrube zeigt die unvollständige Verkieselung im Kern massiver Gehäuseteile.



Abb. 3b: KOSCHINSKY interpretierte dies irrtümlich als 'Haftlamellen'.


Aus heutiger Sicht wurde der nicht verkieselte Kern der massiven Zähne und Zahngruben nach dem Aussäuern als primärer Hohlraum fehlinterpretiert. Bereits KIRCHNER wies 1934 auf die morphologische Unhaltbarkeit der "Lamellen" hin.
Man sollte also den Erhaltungszustand sehr sorgsam und mit allen verfügbaren Mitteln dokumentieren, am einfachsten mit einem Folienabzug vom polierten und danach schwach geätzten Anschliff der Gesteinsprobe. Eine Färbung des Carbonats mit Eisen-(III)-Chlorid-Lösung hebt den Kontrast zum chemisch inaktiven Quarz (im Bild weiß).


Abb. 4: Verkieseltes Exemplar von Coenothyris sp. im Querschliff. Eingefärbter Folienabzug. Bildbreite 5 mm.


In der unteren Gehäusehälfte hat sich Sediment abgesetzt, im verbleibenden Hohlraum darüber bildete sich im Laufe der Diagenese grobkristalliner.Calcit. Je nach kristalliner Orientierung werden die Kristallite unterschiedlich stark eingefärbt. Die deutliche Trennung beider Bereiche stellt eine "fossile Wasserwaage" dar. Oberhalb der beiden Brachidiumspangen zeichnen die Sedimentpartikel vermutlich Reste des Weichkörpers nach.


Abb. 4a: Am detailgetreuesten sind in aller Regel die zarten, äußerst zerbrechlichen Schleifen des Brachidialapparates verkieselt. Am linken Ast ist aber bereits deutlich ein sparitisches Weiterwachsen der Quarzmasse in die Umgebung zu sehen. Unten liegt der typische Fall einer unvollständigen Verkieselung im Inneren voluminöserer Gehäuseteile vor, hier am medianen Wulst der Armklappe. Bildbreite 1,25 mm Bildbreite 1,25 mm



Abb. 4b: Oben ist die Schalensubstanz vollständig vom Quarz verdrängt. Schemenhaft ist noch die ursprüngliche faserige Textur der Schale erkennbar. In das sparitisch gefüllten Gehäuseinnere ragen die senkrecht zur Wandung ausgerichteten Kristalle des 'dog-spar'-Zements, der vermutlich zunächst calcitisch gebildet wurde und erst spätdiagenetisch verkieselte. Unten blieb die primäre Schale (Calcit) unverkieselt. Bildbreite 1,25 mm Bildbreite 1,25 mm


Literatur:

Füchtbauer, Hans (1988): Sedimente und Sedimentgesteine. - E. Schweizerbarth'sche Verlagsbuchhandlung 1988.
Kirchner, H. (1934): Die Fossilien der Würzburger Trias: Brachiopoda. Neues Jb. Mineral.,Geol. Paläontol., Abt. B 71: 11-136.
Koschinsky, Carl (1878): Beiträge zur Kenntniss von Terebratula vulgaris Schloth..
Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft, Band 30. p. 375-386, 1 pl.
PUHLMANN, P. W., Die selektiven Verkieselungen des Trochitenkalks bei Jena. Verbreitung und Fossilführung. Beitr. Geol. Thür., N.F. 5, 1998, 73-90