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Krebse aus dem Oberen Muschelkalk von Osthessen und Thüringen.

Teil 1 - Pseudopemphix albertii ( H. v. Meyer, 1840)

Manfred Schulz , Großenlüder
Veröffentlichungen Naturkundemuseum Erfurt, 21, S. 15 - 38,13 Abb., Erfurt.

Kurzfassung

In der Trochitenkalk-Formation des Oberen Muschelkalks (Anis, Oberillyr) von Osthessen und Thüringen wurden in den letzten Jahren zahlreiche mehr oder weniger vollständige Exuvien und Körperfossilien dekapoder Krebse geborgen. Neufunde von Pseudopemphix albertii zeigen bisher unbekannte morphologische Details, die eine annähernd vollständige Rekonstruktion und eine Erweiterung der von Förster 1967 erstellten Diagnose ermöglichen. Pseudopemphix kann wegen der chelaten Pereiopoden 1 bis 4 nicht bei der Familie Pemphicidae belassen werden, sondern wird, wie schon von Beuerlen (1928) unter Vorbehalt zu den Erymidae gestellt. Pseudopemphix -Funde in Germanonautilus -Wohnkammern legen nahe, dass sich die Tiere im Schutz von leeren, am Meeresboden liegenden Cephalopodengehäusen häuteten. Für echte Einmietung gibt es keine Beweise.

Abstract

During the last years, the Trochitenkalk-Formation of the Upper Muschelkalk (Anisian, Upper Illyrian) in East Hesse and Thuringia (Central Germany) yielded many specimens of more or less complete exuviae and body fossils of decapod crustaceans. Individuals of Pseudopemphix albertii with morphological characters preserved that have hitherto been unknown allow precision of Förster´ s ( 1967) diagnosis and an almost complete reconstruction of the animal. Because of its chelate pereiopods 1 to 4, genus Pseudopemphix is here excluded from the Pemphicidae and provisionally included into the Erymidae, as in Beuerlen (1928). Several individuals of Pseudopemphix embedded in body chambers steinkerns of Germanonautilus indicate that the animals withdrew into empty cephalopod shells for moulting. There is no evidence for true inquilinism.

Einführung

Reste von dekapoden Krebsen aus Geoden im Oberen Muschelkalk gehörten schon immer zu den begehrten Objekten der Fossiliensammler. Der häufigste Muschelkalk-Dekapode ist sicher Pemphix sueuri (vgl. Förster 1967). Deutlich seltener sind die Gattungen Aspidogaster , Litogaster , Pseudopemphix und Lissocardia . Dem Umstand, dass man die Konkretionen mit ihrem wertvollen Inhalt in der Regel erst im abgewitterten Gesteinsschutt findet, ist im Wesentlichen der lückenhafte Kenntnisstand über die stratigraphische Reichweite einzelner Arten zuzuschreiben. Dasselbe gilt für Aussagen über das gemeinsame Vorkommen verschiedener Dekapoden-Arten im gleichen Habitat. Auch horizontierte Aufsammlungen fehlten bis vor kurzem. Weil so wenig Material vorlag, das zudem als selten galt, wurde in Dekapoden-führenden Horizonten auch nicht gezielt nachgesucht. Quantifizierbare Aussagen über fossile Lebensgemeinschaften mit Dekapoden gelangen erstmals für die Lissocardia -Bank Osthessens ( Garassino et al. 2000). Sichere Aussagen über ökologische Ansprüche der Muschelkalk-Dekapoden sind ohne horizontierte Aufsammlungen unter Berücksichtigung von Begleitfauna und Sediment nicht möglich.

Aufsammlungen in den Unteren Ceratitenschichten (Trochitenkalk-Formation, Kraichgau-Subformation; atavus bis pulcher Biozone; Anis, Oberillyr) des Schotterwerks der Firma Rena bei Troistedt (Thüringen) förderten neben anderen Dekapoden auch neues Material von Pseudopemphix albertii . Das von Dipl.-Geol. Klaus Ehrhardt im Wesentlichen horizontiert entnommene Material wurde präpariert, bestimmt und dokumentiert. Der Kenntnisstand über die Morphologie von Pseudopemphix albertii (vgl. Förster 1967) kann nun hinsichtlich Pereiopoden, Abdomen mit Schwanzfächer, Antennen und Antennulen sowie der Mandibula erweitert werden. Ergänzt durch osthessisches Material und ein Exemplar aus Westthüringen wird eine annähernd vollständige Rekonstruktion möglich.

Stratigraphie und Fundstellen

Das Fundmaterial zeigt, dass Pseudopemphix albertii sowohl im Unteren als auch im Oberen Muschelkalk vorkommt. Zu dem einzigen Stück aus dem Unteren Muschelkalk, dem Holotyp zu H. v. Meyer (1840) aus dem ,,Wellengebirge von Horgen im Schwarzwald'' (SMNS 22109) fehlen nähere stratigraphische Angaben. Das Original zu H. v. Meyer (1 854) aus dem ,,Schacht am Stallberg'' bei Rottweil-Rottenmünster (SMNS 4401/650) ist nach Recherchen von Prof. M. Urlichs (Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart) dem mo1 zuzuordnen. Die Neufunde und das weitere in öffentlichen Sammlungen aufbewahrte Material entstammt größtenteils den Tonsteinen des basalen Oberen Muschelkalks. Ein Häufigkeitsmaximum liegt im Bereich der Trochitenbänke 1 bis 6 ( atavus bis pulcher -Zone). Ein Neufund stammt aus dem Bereich der cycloides -Bank von Kupferzell-Rüblingen (Baden-Württemberg).

Im Steinbruch Troistedt ist der Obere Muschelkalk mit etwa 52 m von der Basis bis etwa zwei Meter über der cycloides -Bank aufgeschlossen ( Ockert & Rein 2000 a, b). Vier der fünf von hier vorliegenden Pseudopemphix -Funde (SES/P 1/1-4 ) stammen, wie auch zahlreiche andere Dekapoden, aus dem etwa 6 m mächtigen Blaukalkhorizont zwischen den Trochitenbänken 4 und 6, dem Grenzbereich von atavus - und pulcher -Zone (Abb. 2).

Auf dem Werksgelände der Fa. Rhön-Basalt/Vacha am Dietrichsberg (Westthüringen) war in den Jahren 1983/84 beim Bau einer Werkstraße der Obere Muschelkalk von der Basis bis in die pulcher/robustus -Zone aufgeschlossen. Ein Exemplar von Pseudopemphix , das von Frank Gümbel (Neidhardshausen) gesammelt wurde (SGN/P1/1), stammt wahrscheinlich aus der ausgehenden atavus -Zone (Abb. 2).

Im stillgelegten Abbau der Firma Meister in Großenlüder (Osthessen) sind Teile des Oberen Wellenkalkes, der gesamte Mittlere Muschelkalk und der Obere Muschelkalk bis zur spinosus -Zone aufgeschlossen. Von dem etwa 42 m mächtigen Profilabschnitt des Oberen Muschelkalks gaben Hagdorn et al. (1987) ein Profil. Ein Lesefund von Pseudopemphix (CSG 1/0 ) ist aufgrund der Fundumstände in den Bereich der atavus bis höchstens der pulcher -Zone einzuordnen (Abb. 2). Ein weiteres Stück (CSG 2/10) entstammt der Lissocardia -Bank an der Böschung der Umgehungsstraße Müs ( Garassino et al. 2000). Eine Übersicht über die neuen Lokalitäten gibt Abb. 1.












Abb. 1. Lage der Aufschlüsse in Osthessen und Thüringen




Abb. 2. Profile des Oberen Muschelkalks mit Fundhorizonten von Pseudopemphix in Osthessen und Thüringen. Kalkwerk Meister, Großenlüder; Firma Rhön Basalt, Dietrichsberg bei Vacha; Firma Rena, Troistedt bei Weimar.

Abb. 3. Legende zu Abbildung 2.

Material

Pseudopemphix ist ein recht seltener Dekapode. Das seit der Revision der reptanten Trias-Dekapoden durch Förster (1967) hinzugekommene Material wurde mit Pneumatiksticheln sorgfältig präpariert und zeigt mehr morphologische Einzelheiten als die Altfunde. In der folgenden Übersicht ist das in öffentlichen und privaten Sammlungen liegende und für diese Untersuchung eingesehene Material zusammengestellt. Förster lagen 15 Exemplare vor, die nur zum Teil in den von ihm angegebenen öffentlichen Sammlungen lokalisiert werden konnten. Es sind dies folgende Stücke: SMNS, Nr. 22109 und 4401/650; IGPH, Nr. K. 4191 und K. 4079; IGPG, Nr. 452-1. Das Stück aus dem Landesmuseum Hannover von Warberg/Elm konnte nach Fax Mitteilung von Dr. A. Broschinski vom 06.09. 2001 nicht aufgefunden werden. Förster ´s Beschreibung kann anhand der Neufunde erweitert werden, von denen die beiden vollständigsten Exemplare aus Troistedt auch die meisten morphologischen Details lieferten. Die vorliegende Neubeschreibung beruht auf folgenden Stücken:


Abb. 4. Zuordnung der verwendeten Fachbegriffe am Beispiel von Pseudopemphix albertii .

Abb. 5. Gliederung des Cephalothorax am Beispiel von Pseudopemphix albertii . Ergänzt nach Förster 1967, Abb. 12.
R Rostrum; G Gastricalregion; Ca vordere, Cp hintere Cardiacalregion C; B Branchialregion; A Antennalregion; H Hepaticalregion; P Pterygostominalregion; ee1 Cervicalfurche; d Gastroorbitalfurche; b Antennalfurche; b1 Hepaticalfurche; c Postcervicalfurche; a Branchiocardiacalfurche; i Ventralfurche; x Ansatz des Musculus dorsoventralis posterior; Mw Marginalwulst; Mf Marginalfurche; w Hepaticalhöcker.

1. Großes, fast vollständiges Individuum aus einer Konkretion; Oberer Muschelkalk, Trochitenkalk-Formation, Liegendes von Trochitenbank 5; Troistedt, Schotterwerk Rena (SES/P/1/1). Abb. 6. Der Krebs wurde aus einer typischen, gestreckt-eiförmigen Konkretion allseitig freigelegt. Aus statischen Gründen musste lediglich Sediment zwischen den Beinpaaren und um die Antennen stehen gelassen werden. Es fehlen die Dactylusspitze des rechten Pereiopoden 1, der halbe Propodus und Dactylus des linken Pereiopoden 1 sowie die Enden der Antennen und Antennulen; diese Teile lagen außerhalb der Konkretion. Abdomen und Schwanzfächer sind vollständig, wobei Telson und Uropoden auf die Unterseite des Abdomens umgeschlagen sind. Der Cephalothorax ist vollständig, aber - diagenetisch bedingt - in der Mitte der Länge nach gebrochen. Der Bruch zieht sich mit geringem Versatz dorsal von der hinteren Gastricalregion bis zur Branchiocardiacalfurche, entlang der ein Querversatz die rechte Cardiacalregion von der rechten Branchialregion trennt. Der dorsale Längsversatz zwischen den beiden Hälften der Branchialregion ist am Abdominalausschnitt mit ca. 1 cm am stärksten. Wegen dieser wohl durch frühdiagenetische Kompaktierung verursachten Verformung liegen die rechten Pereiopoden auf die Ventralseite umgeschlagen. Die Pereiopoden 1 bis 5 der rechten Seite sind vollständig vorhanden. Im Vergleich zum Pereiopoden 1 wirken die Pereiopoden 2 bis 5 ausgesprochen zierlich, wobei auffällt, dass Pereiopode 3 proportional kräftiger als Pereiopode 2 ist. Auf der linken Seite liegen sie wie in Längsrichtung gebündelt zusammen, so dass der vordere Bereich des Pereiopoden 2 wegen der darüberliegenden Pereiopoden 3 bis 5 nicht freigelegt werden konnte. Die Pereiopoden 4 und 5 sind vollständig. Zwischen Antennaldorn und Rostrum sind die gegliederten Stiele der linken Antenne und den beiden Antennulen zu sehen. Von der linken Antenne sind die vorderen zwei Glieder des Antennenstiels vollständig freigelegt, das dritte ragt teilweise unter dem basalen Teil des Scaphoceriten hervor. Die Spitze des Scaphoceriten reicht bis an das vordere Glied heran. Dieses ist deutlich länger als das zweite. Der erhaltene Teil der kräftigen Antenne ist etwa 15 mm lang. Von der linken Antennula sind drei tonnenförmige Glieder des Stiels zu sehen. Die beiden vorderen sind annähernd gleich lang, das hintere teilweise verdeckt. Mit dem vorderen, etwas schmäleren Glied sind zwei Geißeln verbunden. Von der rechten, unter dem Rostrum liegenden Antennula ist nur das vordere Glied mit den beiden Geißeln zu sehen. Die rechte Antenne liegt etwas tiefer, im vorderen Bereich zwischen den Geißeln der Antennulen. Der Antennenstiel ist, wohl durch die Verdrückung des Cephalothorax bedingt, nach links unter die sichtbaren Partien der linken Antenne und der Antennulen verschoben und deshalb nicht sichtbar.


Abb. 6. Pseudopemphix albertii ( H. v. Meyer, 1840 ). Oberer Muschelkalk, Liegendes von Trochitenbank 4, Troistedt (SES/P/1/1) a Dorsalseite mit Cephalothorax, Antennen und Antennulen, Abdomen, gekappter linker P1 sowie P2 - P5; b rechte Lateralseite mit vollständigen P1 bis P5 sowie ventralseitig umgeschlagenem Schwanzfächer. Maßstab 1 cm.
Fotos: F. Behr.

2. Fast vollständiges Individuum in der Wohnkammerfüllung eines Germanonautilus ; Oberer Muschelkalk, Trochitenkalk-Formation, aus einem etwa 5 m mächtigen Profilabschnitt zwischen Trochitenbank 5 bis maximal 1,5 m über Trochitenbank 6; Troistedt, Schotterwerk Rena (SES/P/1/2). Abb. 7. Etwas mehr als die Hälfte des hinteren Wohnkammerabschnitts wurden bei der Freilegung des Pseudopemphix entfernt. Das annähernd vollständige Exemplar liegt mit dem Schwanzfächer am hinteren Ende der Wohnkammer unmittelbar am Beginn des Phragmokons an. Es nimmt mit seiner Gesamtlänge ziemlich genau die hintere Hälfte der Wohnkammer ein. Die Körperlängsachse ist in Richtung Wohnkammermündung orientiert. Wie beim ersten Exemplar sind auch hier rechte und linke Seite der Branchialregion und Cardiacalregion entlang der Längsachse bis zur vorderen Hälfte der Gastricalregion gegeneinander verschoben.

Diese nicht nur bei Pseudopemphix häufiger auftretende Erhaltung ist auf Schwachstellen im Bau des Cephalothorax zurückzuführen. Die bei der Kompaktion des Sediments auftretenden Kräfte bewirken je nach Lage des Fossils und nach Grad der frühdiagenetischen Zementierung entlang solcher Schwachstellen mehr oder weniger starke Verschiebungen. Eine Rolle spielt hierbei wohl auch der Verfüllungsgrad. Solche vollständigen Exemplare sprechen gegen Einbettung als Exuvie. Diese wurden normalerweise schnell mit Sediment verfüllt, gerade im Bereich des Cephalothorax, und waren deshalb gegenüber frühdiagenetischen Beanspruchungen relativ stabil. Falls ein Krebs jedoch als Leiche mitsamt Weichkörper eingebettet wurde, entstand nach dessen Verwesung ein Hohlraum, der je nach Grad der Verfestigung des Sediments unterschiedlich starke Verdrückungen verursachte, wie bei SES/P/1/2 beobachtet.

Der Cephalothorax ist gegen das Abdomen nach rechts verschoben und liegt etwas tiefer. Der so entstandene Querversatz ist auf die Verformung des Germanonautilus -Steinkerns zurückzuführen. Von den Pereiopoden der linken Seite sind 1 und 2 vollständig; Reste der Pereiopoden 3 bis 5 ragen aus der Verlängerung des Querversatzes auf Höhe des ersten Abdominalsegmentes hervor. Sie sind unregelmäßig abgespreizt und gekappt. Auf der linken Seite sind die Pereiopoden 1 bis 3 vollständig. Vom Pereiopoden 4 ragt nur das distale Ende des Merus (?) aus dem Sediment hervor. Vom Pereiopoden 5 sind das distale Ende des Merus sowie Carpus und Propodus vollständig zu sehen. Der Dactylus wurde wegen seiner ungünstigen Lage nicht freigelegt. Beide Antennen sind vorhanden, jedoch nicht in voller Länge. Bei der linken ist das letzte Glied des Antennenstiels zu sehen, der Rest ist vom Scaphoceriten überdeckt. Bei der rechten ist es ähnlich, jedoch ohne sichtbaren Scaphoceriten. Die dazwischen liegende linke Antennula ist mit Resten des Stiels und einem kurzen unterbrochenen Geißelabschnitt zu sehen. Bei der etwas tiefer liegenden rechten Antennula ist das letzte Glied des Stiels und ein anschließender, etwas längerer Rest einer Geißel zu sehen. Von der zweiten Geißel wurde nur ein kurzer Abschnitt freigelegt. Sie ist deutlich schmäler im Querschnitt, möglicherweise wurde sie regeneriert. Bei den ersten drei Abdominalsegmenten setzt sich der Längsversatz des Cephalothorax in abgeschwächter Form fort. Die Somite 4 und 5 sowie das Telson sind im Dorsalbereich wegen ihrer exponierten Lage am Rand des Steinkerns angelöst. Beide linken Uropoden sind vorhanden. Am Exopoditen ging an der linken Seite der Diärese bei der Präparation eine Ecke verloren. Rechts ist nur der Endopodit freigelegt. Auf Höhe des Exopoditen liegen, bis zur Mitte des Cephalothorax rechts neben dem Exemplar unregelmäßig angeordnet, fragmentarische, nicht zuordenbare Reste eines anderen Krebses.


Abb. 7. Pseudopemphix albertii ( H. v. Meyer 1840 ). Annähernd vollständiges, durch frühdiagenetische Kompaktierung etwas verschobenes Exemplar in einer Germanonautilus -Wohnkammer. Oberer Muschelkalk, zwischen Trochitenbank 5 und max. 1,5 m über Trochitenbank 6, Troistedt (SES/P/1/2). a linke Ventralseite; Foto: F, Behr. b Gesamtansicht dorsal. Maßstab 1 cm. Foto: U. Bielert.

3. Vollständige, isolierte Schere und zugehöriger Rest des Merus; Oberer Muschelkalk, Trochitenkalk-Formation, 20 cm unter Trochitenbank 5; Troistedt, Schotterwerk Rena; (SES/P/1/3). Abb. 8. Die kleine Konkretion enthielt eine vollständige, isolierte Schere und einen dazugehörenden Rest des Merus. Über diesem liegt, ebenfalls isoliert, eine vollständige Mandibula. Die Lage der Mandibula in derselben Konkretion unmittelbar über dem sicher zu Pseudopemphix zuordenbaren Pereiopoden 1 legen auch die Zuordnung der Mandibula zu Pseudopemphix nahe.


Abb. 8. Pseudopemphix albertii ( H. v. Meyer 1840 ). a Isolierte Schere der P1 sowie dazugehöriger Merus-Rest mit darüberliegender Mandibula. Oberer Muschelkalk, ca. 20 cm unter Trochitenbank 5, Troistedt (SES/P/1/3). b Mandibula von Pemphix sueuri (Desmarest). Oberer Muschelkalk , spinosus -Zone, Lamerden (Nordhessen) (CSG 25/1). Maßstab 1 cm. Fotos: F. Behr.

4. Isolierter erster Pereiopode, aus einer Germanonautilus- Wohnkammer; Oberer Muschelkalk, Trochitenkalk-Formation, aus einem ca. 3 m mächtigen Abschnitt zwischen den Trochitenbänken 5 und 6; Troistedt, Schotterwerk Rena. (SES/P/1/4). Abb. 9. Der Fund des linken ersten Pereiopoden, bestehend aus Merus, Carpus, Propodus und Dactylus, wurde aus der Vorderhälfte der Wohnkammer herauspräpariert.


Abb. 9. Pseudopemphix albertii (H. v. Meyer, 1840). Große P1 in der vorderen Hälfte einer Germanonautilus -Wohnkammer. Aus einem ca. 3 m mächtigen Abschnitt zwischen Trochitenbank 5 und 6, Troistedt (SES/P/1/4). Maßstab 1 cm. Foto: F. Behr.

5. Fragmente von Cephalothorax, Pereiopoden und Antennen; Oberer Muschelkalk, Trochitenkalk-Formation, 10 cm über Trochitenbank 1; Troistedt, Schotterwerk Rena; (SES/P/1/5). Die kleine Konkretion enthält zwei unvollständige erste Pereiopoden, den vorderen Abschnitt des Cephalothorax mit Rostrum, sowie Reste der Antennen. Dies ist der stratigraphisch älteste Nachweis von Pseudopemphix aus Troistedt.

6. Cephalothorax mit Resten von Abdomen, Pereiopoden und Antennen; Oberer Muschelkalk, Meißner-Formation, atavus- bis basale pulcher- Biozone; Dietrichsberg bei Vacha in W-Thüringen, Werksstraße der Firma Rhön Basalt. (SGN/P/1/1). Abb. 10. Der Fund zeigt in vortrefflicher Weise die Gliederung des Cephalothorax. Von den Abdominalsegmenten ist nur Somit 1 vorhanden. Die Pereiopoden beider Seiten sind unvollständig. Propodus, Dactylus und Teile vom Carpus fehlen. Die Antennen sind als Reste von 8 bzw. 12 mm nach seitlich hinten umgeschlagen. Vom Antennenstiel ist lediglich das letzte Glied zu sehen.


Abb. 10. Pseudopemphix albertii (H. v. Meyer, 1840). Etwas verdrückter Cephalothorax mit Resten von P1 bis P5 sowie beiden Antennen. Vom Abdomen ist nur Somit 1 erhalten. Oberer Muschelkalk, atavus -Zone, Dietrichsberg bei Vacha (SGN/P/1/1). Maßstab 1 cm.
Foto: F. Behr.



7. Reste von Cephalothorax und erstem Pereiopoden in einer Germanonautilus -Wohnkammer; Lesefund, Oberer Muschelkalk, Meißner-Formation, vermutlich atavus bis pulcher Biozone; Großenlüder, Steinbruch Meister. (CSG 1/0). Abb. 11. Der Rest von der rechten Cephalothoraxhälfte mit dazugehörigem Pereiopoden 1 liegt im Mündungsbereich einer Germanonautilus- Wohnkammer. Das Exemplar ist mit seiner Körperlängsachse Richtung Phragmokon orientiert. Im Gegensatz zu SES/P/1/2 handelt es sich hier relativ sicher um einen Häutungsrest.

Abb. 11. Pseudopemphix albertii (H. v. Meyer 1840). Rechte Cephalothorax-Hälfte mit annähernd vollständiger P1, im vorderen Drittel einer Germanonautilus- Wohnkammer. Oberer Muschelkalk, atavus- bis pulcher - Zone, Kalkwerk Meister Großenlüder (CSG 1/0). Maßstab 1 cm. Foto: F. Behr.



8. Reste von Cephalothorax, Pereiopoden und Antennen; Oberer Muschelkalk, Trochitenkalk-Formation, Lissocardia -Bank; Großenlüder, Böschung der Umgehungsstraße Müs. (CSG 2/10). Das Stück wurde abgebildet in Garassino et al. (2000), S. 34, Abb. 7. Die kleine Konkretion enthält einen Cephalothorax, dessen hintere Branchialregion im Bereich des Abdominalausschnittes fehlt. Die beiden unvollständigen Pereiopoden 1 liegen artikuliert vor dem Cephalothorax, die Glieder sind an der Gelenkung Merus-Carpus angewinkelt. Die beiden Antennenstiele mit Resten der Geißel sind ebenfalls nur in Fragmenten vorhanden. Der teilweise ungünstige Erhaltungszustand ist auf die randliche Lage in der relativ kleinen Konkretion zurückzuführen. Es handelt es sich wohl ebenfalls um einen Häutungsrest Weitere Stücke wurden eingesehen, zeigen jedoch keine zusätzlichen Merkmale.

    Der Vollständigkeit halber seien sie hier nachgewiesen:
  • 6 Exemplare aus dem Oberen Muschelkalk Süddeutschlands (MHI 251, 1632, 1636, 1749, 1750, SHK 22027)
  • 2 Exemplare aus dem Oberen Muschelkalk von Thüringen (Sammlung Hartinger, Krautheim 22019, 22028)
  • 2 Exemplare aus dem Oberen Muschelkalk von Thüringen (Sammlung Lehnhart, Plaue 230, 231)
  • 1 Exemplar aus dem Oberen Muschelkalk von Thüringen (Sammlung Brandt, Erfurt, P/1/1).

Beschreibung von Pseudopemphix albertii ( v. Meyer, 1840)

Die folgende Beschreibung ergänzt die Angaben von Förster (1967). Die Beschreibung der Merkmale wird um funktionsmorphologische Deutungen erweitert.

Pseudopemphix albertii ist mit maximal ca. 13 cm Gesamtlänge ein mittelgroßer Dekapode. Unter den Muschelkalk-Dekapoden wird lediglich Pemphix sueuri größer. Pseudopemphix unterscheidet sich von Pemphix im Wesentlichen in Skulptur und Gliederung des Cephalothorax, der Abdominalsegmente sowie in den vier ersten chelaten und dem fünften subchelaten Pereiopoden. Nach dem Bau der Pereiopoden kann die Gattung damit nicht bei der Familie Pemphicidae belassen werden (vgl. Förster 1967, Glaessner 1969), für welche subchelate Pereiopoden 1 bis 3 diagnostisch sind.

Cephalothorax: Zylindrisch; Rostrum breit, mit lateralen Dornen und medianer Crista. Diese etwa von der Mitte der Gastricalregion mit zum Rostrum hin schwächer werdenden Dornen, die im Bereich des Rostrums in kleine Höcker übergehen. In der Verlängerung, an der Rostrumspitze, kräftiger Einzeldorn. Dorsale Längsnaht erst ab hinterem Drittel der Gastricalregion, auf Branchialregion wulstartig verdickt. Tiefe Cervicalfurche; breite durch einen Riegel geteilte Gastroorbitalfurche mit zwei Ästen ± parallel zur Cervicalfurche. Rückenfurchen parallel, ventral durch tiefe Hepaticalfurche verbunden. Postcervicalfurche ausgeprägter als Branchiocardiacalfurche, dorsal geteilt in stärkeren annähernd senkrecht aufsteigenden vorderen Ast und zwei parallele schwächere hintere Äste, die gegen die Branchiocardiacalfurche konvergieren. Schwacher, horizontal verlaufender vorderer Teil der Hepaticalfurche. Hintere Hepaticalregion durch Verlängerung der sich nach unten vertiefenden Branchiocardiacalfurche abgetrennt. Gastricalregion mit einer medianen und je zwei lateralen Cristae. Antennalregion stark aufgebläht mit kurzer kräftiger Crista hinter ebenfalls kräftigem Antennaldorn. Cristae mit Dornen besetzt, desgleichen Cardiacalregion, jedoch gegen die Branchialregion an Größe abnehmend und in Wärzchen übergehend. Tendenz zur Reihenbildung. Ansonsten feine einheitliche Granulierung aus Wärzchen und Grübchen.

Abdomen: Schwach skulpturiert mit Grübchen. Somite durch eine Querfurche gegliedert, die bei Somit 1 unter dem Abdominalausschnitt näher als bei den folgenden nach hinten rückt. Lateral zieht sie bogenförmig nach hinten und gliedert dadurch den vorderen Teil der Epimeren in gerundet dreieckige Elemente. Die Querfurche und der vordere Teil der Epimeren sind nur bei stark gebogenem Abdomen oder an isolierten Somiten sichtbar. Bei gestrecktem Abdomen sind diese Bereiche von den davor liegenden Somiten bzw. dem hinteren Teil des Cephalothorax überdeckt. Die Hinterkanten der Somite 2, 3 und 4 ziehen ebenfalls auf der Lateralseite zunehmend bogenförmig ± parallel zur abknickenden Querfurche nach hinten. Bei Somit 5 reduziert sich der bogenförmige Verlauf der Hinterkante und verschwindet bei Somit 6 vollständig. Das gerundet dreieckige Telson ist durch vier flache Furchen gegliedert, zwischen denen drei ebenfalls flache Aufwölbungen liegen. Die mittlere, schmälere, ist etwas stärker granuliert. Der distale, gerundete Bereich ist fein längsgerieft. Die Uropoden sind bei gestrecktem Abdomen so lang wie das Telson. Bei vollständig gegen die Ventralseite der Somite umgeklapptem Schwanzfächer wirken Endopodit und Exopodit länger. Es kommt zur gleichmäßigen Staffelung von Telson zu Endopodit zu Exopodit. Endopodit und Exopodit sind ebenfalls granuluiert, jedoch etwas schwächer als das Telson. Über den Endopoditen läuft eine mediane Längsfurche, die von zwei Stabilisierungswülsten flankiert wird. Sie zieht sich über drei Viertel des Endopoditen und läuft mit dem Aussetzen der Granulierung am Beginn des feingerieften Randbereiches aus. Durch den Exopoditen mit gerundeter Diärese läuft ein kräftiger medianer Längskiel, der von zwei Furchen flankiert wird.

Der Bau der Pleopoden ließ sich aufgrund des vorliegenden Materials nicht untersuchen. Auf Nachpräparation der beiden Exemplare mit Abdomen wurde wegen des hohen Risikos und der dadurch entstehenden Substanzverluste verzichtet.

Funktionsmorphologisch fällt der Querfurche auf den Somiten wohl eine gewisse Scharnierfunktion mit Anschlag zu. Ihre Lage in Bezug zur Form des folgenden Segmentes erlaubt Rückschlüsse auf die Beweglichkeit des Abdomens im entsprechenden Bereich. Demnach tritt im Bereich von Somit 1 durch die Verlagerung der Querfurche nach hinten der unter den Abdominalausschnitt ragende längere Teil als Anschlag früher in Funktion. Eine gewisse Versteifung ist die Konsequenz. Im Gegensatz dazu führt die Verlagerung der Querfurche nach vorne, im Bereich von Somit 5 und 6, zur reduzierten Anschlagfunktion des kurzen, unter das vorhergehende Segment ragenden Abschnittes. Dadurch wird ein Umschlagen des Schwanzfächers um annähernd 180° möglich. Daraus und aus dem Vorhandensein der Diärese an den Exopoditen der Uropoden lässt sich zumindest eine begrenzte Schwimmfähigkeit erschließen. Ein Zurückschnellen zur Flucht vor Feinden, wie man es von rezenten Reptantia wie Homarus und Astacus kennt, war wohl gleichfalls möglich.

Antennen: Die Stiele der beiden Antennulae bestehen aus je drei tonnenförmigen Gliedern. Die beiden vorderen sind annähernd gleich lang. Mit dem vorderen, etwas schmäleren Glied sind zwei Geißeln verbunden. Die drei Glieder des Antennenstiels sind fast doppelt so breit wie die der Antennulae; das vordere ist deutlich länger als das zweite. Die Geißeln der Antenne erreichen gut den doppelten Durchmesser der Antennulae. Der Scaphocerit besteht aus zwei hintereinander sich überlagernden, den Antennenstiel umschließenden Schuppen. Die in der Dorsalansicht langgezogen-dreieckigen Elemente liegen mit ihren vorderen Spitzen seitlich über dem Antennenstiel.

Über die absolute Länge von Antennen und Antennulen können keine gesicherten Aussagen gemacht werden. Bei zwei Exemplaren sind die Antennen nach schräg hinten über den Cephalothorax hinweg orientiert; daraus ergeben sich gewisse Aussagen über deren Beweglichkeit nach hinten.

Pereiopoden: Das erste Pereiopodenpaar trägt kräftige Scheren mit gedrungenem Ballen und massivem, stark verbreitertem Index mit auffälligem zahnartigen Vorsprung auf der Innenkante; davor feinere Zähnelung. Der Dactylus ist etwas länger und schwächer. Der Carpus ist kurz, in Seitenansicht rechteckig und trägt - beim Adultus (SES P/1/1) kräftige Dornen an der Außenflanke und über der Gelenkung zum Propodus. Beim Semiadultus (SES P/1/2) ist die Bedornung deutlich schwächer. Der Merus ist annähernd doppelt so lang wie der Carpus und schließt am Vorderende mit einem stumpfen, zahnartigen Fortsatz ab. Die Pereiopoden 2 bis 5 sind schlank und proportional erheblich zierlicher; sie tragen deutlich kleinere Scheren. Pereiopode 3 ist etwas größer als Pereiopode 2. Pereiopode 5 ist subchelat. Über den Bau der Mundgliedmaßen können nach dem vorliegenden Material keine Aussagen gemacht werden.

Im vorliegenden Material variieren die Proportionen des Propodus an den ersten Pereiopoden. Der Propodus von SES/P/1/1 ist deutlich langgezogener als beispielsweise der von SES/P/1/2. Die Annahme, dass es sich dabei um ein Altersmerkmal handeln könnte, schied nach der Präparation von SES/P/1/4 aus. Der bei diesem Exemplar noch etwas größere Propodus entspricht in seinen Proportionen dem des deutlich kleineren von SES/P/1/2. Für eine Beurteilung, ob dieses Merkmal innerartlich variiert oder ob Geschlechtsdimorphismus vorliegt, bedürfte es umfangreicheren Materials. Bei rezenten Homariden sind die Scheren am rechten und linken Pereiopoden 1 in Schneid - und Brechscheren differenziert und werden von dem Tier selektiv eingesetzt. Dies trifft auf Pseudopemphix kaum zu. Vergleicht man jedoch die Brechschere von Homarus mit der von Pseudopemphix , trifft man auf gewisse Ähnlichkeiten. Homarus hat auf der Innenkante des Index etwa im selben Bereich wie Pseudopemphix einen kräftigen zahnartigen Vorsprung mit feiner Zähnelung davor. Dahinter befindet sich jedoch eine kurze Einbuchtung mit Zähnelung und zum Ansatz des Dactylus, wo durch die Hebelwirkung der Schere die größten Kräfte einwirken, eine ambossartige Fläche. Am Dactylus sind die Verhältnisse ähnlich. Bei den vergleichsweise kürzeren Scheren von Pseudopemphix setzt sich in Verlängerung des zahnartigen Vorsprungs eine ähnlich ambossartige Fläche bis zum Ansatz des ungegliederten Dactylus fort. Verglichen mit der Schere von Homarus nimmt die von Pseudopemphix eine Zwischenstellung in der Entwicklung zur Brechschere ein. Der zahnartige Vorsprung fungierte als Widerlager zum sicheren Greifen, die ambossartige Fläche dahinter und der massive, stark verbreiterte Index deuten auf einen Einsatz auch als Knackschere. Demnach diente die Schere von Pseudopemphix als universell einsetzbares Werkzeug, sowohl zum sicheren Greifen als auch zum Knacken zumindest kleinerer hartschaliger Organismen. Damit lässt sich zwar eine Tendenz zur Entwicklung von Brechscheren erkennen, nicht aber eine Differenzierung von rechter und linker Schere. Die Scheren an den Pereiopoden 2 bis 5 lassen den Schluss zu, dass diese nicht nur als Schreitfüße fungierten, sondern auch als Putz- und Greifwerkzeuge.

Systematik

Die Systematik folgt der von Glaessner (1969) im Treatise on Invertebrate Paleontology, Part R, Arthropoda 4 vorgeschlagenen.
Allerdings wird Pseudopemphix aufgrund der chelaten Pereiopoden 1 bis 4 nicht in der Familie Pemphicidae van Straelen , 1928 belassen, sondern unter Vorbehalt zu den Erymidae gestellt.

Ordnung: Decapoda Latreille , 1803

Unterordnung: Pleocyemata Burkenroad, 1963

Infraordnung: Astacidea Latreille, 1803

Familie: Erymidae van Straelen, 1924 (?)

Gattung Pseudopemphix Wüst, 1903

1903 Pseudopemphix Wüst - W üst , Decapoden der germanischen Trias, S. 9.
1903 Seebachia Wüst - W üst , Decapoden der germanischen Trias, S. 9.
1927 Pseudopemphix E. Wüst - Assmann , Decapoden des deutschen Muschelkalks, S. 339.
1928 Pseudopemphix Wüst - Beurlen , Decapoden schwäb. Jura, S. 155.
1929 Pseudopemphix Wüst , 1903 - Glaessner , Foss. Catalogus, S. 357.
1930 Pseudopemphix Wüst - Beurlen & Glaessner , Systematik Crust. Decapoda, S. 53.
1930 Pseudopemphix Wüst - Beurlen , Vergleich. Stammesgeschichte, S. 325.
1967 Pseudopemphix Wüst 1903 - Förster , Reptante Dekapoden, S. 167
1969 Pseudopemphix Wüst, 1903 - Glaessner , Treatise, S. R468

Erweiterte Diagnose (verändert und ergänzt, nach Förster 1967): Cephalothorax zylindrisch; Rostrum breit, mit lateralen Dornen, an der Spitze in einen Einzeldorn auslaufend; Antennaldorn kräftig. Dorsale Längsnaht erst ab hinterem Drittel der Gastricalregion, auf Branchialregion als wulstartige Verdickung. Tiefe Cervicalfurche; breite durch einen Riegel geteilte Gastroorbitalfurche mit zwei Ästen ± parallel zur Cervicalfurche. Rückenfurchen einander parallel, ventral durch tiefe Hepaticalfurche verbunden. Postcervicalfurche ausgeprägter als Branchiocardiacalfurche, dorsal geteilt in stärkeren annähernd senkrecht aufsteigenden vorderen Ast und zwei parallele schwächere hintere Äste, die gegen Branchiocardiacalfurche konvergieren. Schwacher, horizontal verlaufender vorderer Teil der Hepaticalfurche. Hintere Hepaticalregion durch Verlängerung der sich nach unten vertiefenden Branchiocardiacalfurche abgetrennt. Gastricalregion mit einer medianen und je zwei lateralen Cristae. Antennalregion stark aufgebläht, kurze kräftige Crista unmittelbar hinter Antennaldorn. Cristae mit Dornen besetzt, desgleichen Cardiacalregion, wo die Tendenz zur Reihenbildung besteht; im übrigen feine einheitliche Granulation aus Wärzchen und Grübchen. Abdomen schwach skulpturiert; vorderer Teil der Epimeren, unter Überdeckung, durch Querfurche in gerundet - dreieckige Elemente gegliedert. Telson gerundet - dreieckig, durch vier flache Furchen gegliedert. Uropoden und Telson gleich lang und leicht granuliert mit feiner Riefung an der Hinterkante. Endopodit mit medianer Längsfurche von zwei Stabilisierungswülsten flankiert. Exopodit mit medianem Längskiel, flankiert von zwei Furchen; gerundete Diäresis. Antennulenstiele aus drei tonnenförmigen Gliedern, die beiden vorderen gleich lang, das vordere etwas schmäler mit zwei Geißeln. Antennenstiel dreigliedrig, das vordere länger als das zweite. Antennenstiel und Geißel doppelt so dick wie Antennulen. Scaphocerit zweischuppig, Einzelschuppe in Dorsalansicht langezogen - dreieckig. Erstes Beinpaar mit Scheren; gedrungenem Ballen, massivem, basal stark verbreiterten Index mit zahnartigem Vorsprung auf Innenkante und feiner Zähnelung davor. Dactylus etwas länger und schwächer. Carpus mit kräftigen Dornen an Aussenflanke und Vorderkante. Etwa doppelt so langer Merus, mit stumpfem, schildartigen, durch Furchen abgegrenzten Fortsatz an der Vorderkante der Aussenflanke. Erheblich kleinere, schlanke, proportional deutlich zierlichere chelate zweite bis vierte Pereiopoden. Pereiopode 3 etwas größer als 2. Pereiopode fünf subchelat.

Einziger Vertreter: Pseudopemphix albertii ( H. v. Meyer, 1840). P. fritschi ( Wüst , 1903) und der in einem einzigen, schlecht erhaltenen Cephalothorax vorliegende P. meyeri ( Alberti , 1864) werden zu P. albertii gestellt.

Pseudopemphix albertii ( H. v. Meyer 1840)

1840 Pemphix Albertii - Meyer , Neue Gattungen fossiler Krebse, S. 9, Taf. 4, Fig. 37.
1854 Pemphix Albertii Meyer - Meyer , Jurassische u. Triassische Crustaceen , S. 53, Taf. 10, Fig. 5.
1864 Pemphix Albertii H. v. Meyer - Alberti , Trias, S. 194, Taf. 7, Fig. 6.
1864 Pemphix Meyerii Alberti - Alberti , Trias, S. 194, Taf. 7, Fig. 7.
1871 Pemphix Albertii Meyer - Seebach , Pempix Albertii Meyer aus dem unteren Nodosenkalk des Hainbergs , S. 186.
1903 Pseudopemphix albertii H. v. Meyer sp. - Wüst , Untersuchungen über die Decapodenkrebse der germanischen Trias, S. 20.
1903 Seebachia meyeri Alberti - W üst , Decapoden der germanischen Trias, S. 20.
1903 Pseudopemphix fritschii Wüst - Wüst , Untersuchungen über die Decapodenkrebse der germanischen Trias, S. 20.
1928 Pseudopemphix albertii Meyer - Beurlen , Decapoden schwäb. Jura, S.155, Taf. 6, Fig. 8.
1928 Pseudopemphix fritschii Wüst - Beurlen , Decapoden schwäb. Jura, S. 155, Taf. 6, Fig. 7, Abb. 9.
1928 Pseudopemphix fritschii Wüst - Schmidt , Lebewelt unserer Trias, S. 319, Abb. 876.
1928 Pseudopemphix albertii H. v. Meyer - Schmidt , Lebewelt unserer Trias, S. 319.
1930 Pseudopemphix fritschii Wüst 1903 - Scheffen , P. fritschii, L. tiefenbach. und P. Sueurii , S. 6, Taf. 1, Fig. 1 - 2.
1932 Pseudopemphix albertii ( v. Meyer ) - Glaessner , Ungenügend bekannte mesozoische Decapoden, S. 112, Abb. 2 A.
1960 Pseudopemphix albertii ( H. v. Meyer ) - Glaessner , Decapod. Crust. New Zealand, S. 40, Abb. 19, Fig. 3a.
1960 Pseudopemphix fritschii Wüst - Glaessner , Decapod. Crust. New Zealand, S. 40, Abb. 19, Fig. 3b.
1965 Pseudopemphix albertii ( H. v. Meyer ), 1840 - Förster , Erymiden, S. 159, Abb. 36, Fig. 7.
1967 Pseudopemphix alhertii ( H. v. Meyer ) 1840 - Förster , Die reptanten Decapoden der Trias, S. 167 - 170, Abb. 12, S. 184, Taf. 9, Fig. 7 -8.
1969 Pseudopemphix albertii von Meyer, 1840 - Glaessner , Treatise, S. R468
2000 Pseudopemphix albertii Wüst 1903 - Garassino et al., Krebse aus dem Ob. Muschelkalk von Großenlüder (Hessen), S. 34, Abb. 7.

Holotypus: H. v. Meyer, 1840 , Taf. 4, Fig. 37 (SMNS 22109)

Locus typicus: Horgen / Schwarzwald.

Stratum typicum: Wellenkalk (Unterer Muschelkalk, Freudenstadt-Formation; Anis, Bithyn).

Vorkommen:
Unterer Muschelkalk (Freudenstadt-Formation; Anis, Bithyn), Baden-Württemberg: Horgen (SMNS, Stuttgart).

Oberer Muschelkalk (Trochitenkalk-Formation, Meißner-Formation; Anis, Illyr), Baden-Württemberg: Steinsfurt bei Heidelberg (IGPH, Heidelberg), Künzelsau, Satteldorf-Neidenfels, Rüblingen.

Hessen: Göttingen (IGPG, Göttingen), Großenlüder.
Niedersachsen: Warberg / Elm (LMH, Hannover).
Bayern: Bayreuth / Rottweil (SMNS, Stuttgart).
Thüringen: Troistedt, Vacha.
Material: 24 Exemplare. 9 Exemplare aus Baden-Württemberg (SMNS Nr. 22109;
MHI Nr. 251, 1632, 1636, 1749, 1750; SHK Nr. 22027; IGPH Nr. K 4191, K 4079 . 3
Exemplare aus Hessen (IGPG Nr. 452-1; CSG 1/0, 2/10). 1 Exemplar aus Bayern
(SMNS Nr. 4401/650). 11 Exemplare aus Thüringen (SES/P/1/1-5; SGN/P/1/1; SHK
Nr. 22019, 22028; SLP Nr. 230, 231; SBE /P/1/1).


Abb. 12. Pseudopemphix albertii (H. v. Meyer, 1840) . Holotyp in Dorsalansicht (SMNS Nr. 22109). Maßstab 1 cm. Foto: R. Harling.

Abb. 13. Pseudopemphix albertii ( H. v. Meyer , 1840). Rekonstruktion des adulten Tieres.

Diskussion

Förster 1967 betonte die Problematik der systematischen Zuordnung von Pseudopemphix. Der Besitz von Scheren einerseits und gewisse Ähnlichkeiten in der Cephalothorax-Gliederung mit Pemphix andererseits, ließ die Zuordnung zwischen Erymidae ( Beurlen ) und Pemphicidae ( Glaessner ) schwanken. Ähnlichkeiten am Cephalothorax in der Ausbildung der Furchen, die zunehmende Differenzierung der Gastricalregion und gewisse Ähnlichkeiten bei den Scheren des ersten Beinpaares mit den Subchela von Pemphix ließen ihm die Zuordnung zu den Pemphiciden als gerechtfertigt erscheinen. Aufgrund wesentlicher Unterschiede zur Diagnose von Pemphix sueurii kann Pseudopemphix nicht bei den Pemphiciden belassen werden. Resultierend aus dem Studium des neuen Materials sind dies im einzelnen die chelaten Pereiopoden 1-4; das lateral bedornte, in einen Einzeldorn auslaufende Rostrum; der zweischuppige, aus in Dorsalansicht langgezogen-dreieckigen Einzelschuppen bestehende Scaphocerit und die durch eine Querfurche gegliederten Abdominalsegmente. Die Zuordnung zu den Erymiden unter Vorbehalt erfolgt im wesentlichen aufgrund der chelaten Pereiopoden 1-4. Ansonsten zeigt Pseudopemphix einen Merkmalsmix von Glypheiden und Erymiden. Auch andere triasischen Formen, z. B. Echinodermen, zeigen ähnlich strukturierte Merkmalskomplexe. Dies zeigt, dass sich gerade in der Trias unter großer morphologischer Plastizität neue Entwicklungslinien etablieren, die oft aber wieder erloschen sind.

Das neu gesammelte Material von Pseudopemphix und anderen Muschelkalk-Dekapoden erlaubt genauere Aussagen zur deren systematischer Stellung, zur stratigraphischen und geographischen Verbreitung, zur Paläoökologie und zur Einbettung und Fossilisation (Taphonomie). Die vergleichsweise größte Häufigkeit und Diversität erreichen die reptanten Dekapoden im tieferen Oberen Muschelkalk. Allerdings ist die Gattung Pemphix hier eher selten; sie erreicht ihr Häufigkeitsmaximum erst in der nodosus -Zone.

Systematische Stellung. Van Straelen 1924 charakterisiert die Familie der Erymiden wie folgt: Schaltstückchen vorhanden oder fehlend, Karapax stets zylindrisch oder schwach lateral zusammengedrückt. Nackenfurche und die beiden Rückenfurchen, wie auch das kahnförmige Feld stets deutlich. Scheren Homarus -ähnlich. Dies trifft im wesentlichen auf Pseudopemphix zu.

Beurlen 1930 ordnet den Erymiden drei Unterfamilien mit folgenden Charakteristika zu.

Clytiopsinae Beurlen: Schaltstückchen fehlt . Vorderes Scherenpaar nicht größer als die beiden hinteren und ohne besondere Differenzierung.

Erymainae Beurlen: Schaltstückchen deutlich vorhanden. Das vordere Scherenpaar wesentlich größer als die beiden hinteren, im einzelnen sehr verschiedenartig differenziert.

Stenochiridae Beurlen: Karapax breit zylindrisch oder dorsoventral abgeplattet. Karapaxgliederung wie bei Erymaidae. Scheren von Eryoniden ähnlichem Habitus, aber der bewegliche Finger stets auf der Innenseite.

Das fehlende Schaltstückchen bei Pseudopemphix würde für eine Zuordnung zu den Clytiopsinae sprechen. Die undifferenzierten annähernd gleichgroßen Scherenpaare dagegen. Bei den Erymainae ist es genau umgkehrt. Gegen eine Zuordnung zu den Stenochiridae spricht der für diese Unterfamilie definierte Scherenhabitus und der auf der Innenseite liegende Scherenfinger.

Für Pseudopemphix fehlt in diesem Zusammenhang letztendlich eine entsprechend definierte Unterfamilie. Um hier fundiert eine neue zu begründen, müssten umfangreiche Studien an weiterem triassischen Dekapodenmaterial vorgenommen werden. Fehlende Details, wie der Bau der Pleopoden und der Mundgliedmaßen bei Pseudopemphix würden eine systematische Abgrenzung wesentlich erleichtern. Unter diesen Gesichtspunkten ist eine Zuordnung zu den Erymiden unter oben erläuterten Vorbehalten naheliegend.

Fossilisationspotential. Bestimmbare Reste von Dekapoden werden fast ausschließlich in mikritischen Kalksteinen (Brockelkalke, Knauerkalke) und in Tonmergelsteinhorizonten gefunden. Die Erhaltung empfindlicher Strukturen und zusammenhängender Häutungsreste setzt geringe Wasserbewegung und rasche Einbettung in Kalk-/Tonschlamm voraus. In Konglomerat- und Schillbänken werden nur selten kleine und fragmentarische Reste von Dekapoden gefunden, die Umlagerung oder Transport überstanden haben. Lediglich die mikritischen Schlammdecken von Schilllagen enthalten gelegentlich zusammenhängende Reste. Undeformiert sind Dekapodenreste nur dann erhalten geblieben, wenn das umgebende Sediment frühdiagenetisch zementiert wurde und der Krebs vollständig von der Konkretion umgeben geblieben ist. Das weitgehende Fehlen von Dekapoden in den Crinoidenkalken bzw. ihr Vorkommen in den zwischenlagernden Tonmergelsteinhorizonten ist also nicht primär, sondern durch unterschiedliches Fossilisationspotential zu erklären.

Stratigraphisches Vorkommen. Man sollte erwarten, dass im höheren Oberen Muschelkalk (Meißner-Formation) des Untersuchungsgebietes, wo die mikritische Kalkstein- und Tonsteinfazies mit ihren typischen Konkretionsbildungen durchgängig ausgebildet ist, für Dekapoden günstigere und lückenlose Erhaltungsbedingungen herrschten. Allerdings nimmt die Dekapoden-Diversität von der pulcher -Zone an ab. Darüber dominiert die großwüchsige Gattung Pemphix, die Glypheiden Aspidogaster und Litogaster werden selten, noch seltener die spezialisierten, Scheren tragenden Gattungen Lissocardia und Pseudopemphix , die in der typischen Tonplattenfazies aussetzen. Immerhin kommt Pseudopemphix aber in der robustus - und compressus -Zone Süddeutschlands durchaus noch vor. Von der pulcher -Zone aufwärts verändern sich auch Größe und Häufigkeit der Ceratiten. Während im basalen Oberen Muschelkalk ( atavus- bis pulcher -Zone) Ceratiten unter 10 cm bleiben und eher selten sind, nimmt ihre Größe und Häufigkeit darüber kontinuierlich zu, es kommt sogar zu lokalen Massenvorkommen. Bei nektonischer Lebensweise der Ceratiten wäre dies in Bezug zur Abnahme der Diversität bei den Dekapoden unbedeutend. Nimmt man jedoch eine vagil-benthische Lebensweise an, wie sie Rein (2000) favorisiert, könnte dies durchaus direkt oder indirekt für die spezialisierten Formen Lissocardia und Pseudopemphix eine Rolle in dieser Entwicklung gespielt haben. Ohne hier direkte Nahrungskonkurrenz zu postulieren, wäre eine veränderte Umweltsituation denkbar, deren Parameter jeweils die Entwicklung von Ceratitenpopulation oder die spezialisierter Dekapoden beeinflussen. Der Fund eines Pseudopemphix aus dem Bereich der cycloides -Bank von Rüblingen (CHK 22027) stützt diese Überlegungen, kommt es doch in diesem stratigraphischen Niveau zu einem Faunenschnitt sowohl in der Ceratitenentwicklung als auch bei Coenothyris. Rein & Ockert (2000 c) führen dies auf eine Abweichung von der durch eine ungestörte Ceratitenentwicklung geprägten, ökologischen Gesamtsituation zurück. Inwieweit diese Entwicklung ökologisch durch Veränderungen des Lebensraumes bedingt ist, oder einfach durch eine lückenhafte Überlieferung vorgetäuscht wird, muss von weiteren Funden und dem dadurch wachsenden Verständnis für derartige Zusammenhänge abhängig gemacht werden.

Krebse in Cephalopodengehäusen. Die Funde von Muschelkalk-Dekapoden, speziell von Pseudopemphix in Cephalopodengehäusen erfordern weitere Überlegungen. Genügte es bisher, solche Vorkommen aufgrund ihrer Seltenheit als zufällige Einspülungen zu erklären, so wirft das neue Material die Frage auf, ob die Tiere vielleicht auch aktiv leere Cephalopodengehäuse aufgesucht haben könnten. Formen der Einmietung von dekapoden Krebsen in Cephalopoden-Wohnkammern werden von Fraaye & Jäger (1995) diskutiert. Für längeres oder kürzeres Verweilen in einer Cephalopoden-Wohnkammer gibt es vier Möglichkeiten: (1) Das Gehäuse diente dem Krebs dauernd als Wohnbau oder als regelmäßiger Rückzugsbereich (Einmietung, Inquilinismus), (2) er suchte darin kurzfristig Nahrung, zum Beispiel Aas vom Cephalopoden-Weichkörper oder er legte darin einen Nahrungsvorrat an, (3) er suchte darin spontan Schutz vor Feinden, (4) er suchte bei und nach der Häutung vorübergehend darin Schutz, bis sein Panzer erhärtet war.

Für die Häutungsreste CSG 1/0 und SES /P/1/4, die im Bereich der Wohnkammermündung liegen, erscheint - abgesehen von einer zufälligen Einspülung - Fall 4 am wahrscheinlichsten. Für SES/P/1/2 könnten zunächst alle vier Möglichkeiten in Frage kommen. Setzt man allerdings voraus, dass Pseudopemphix sich speziell in Cephalopodengehäusen einmietete - für adulte Tiere kämen in der atavus - und pulcher -Zone wegen der geringen Größe der Ceratiten nur Germanonautilus -Gehäuse in Frage -, würde man im Fossilbericht gut erhaltene, vollständige Exemplare häufiger erwarten. Auch standen wohl kaum genügend leere Germanonautilus -Gehäuse zur Verfügung. Die gefundenen Steinkerne müßten dann häufiger bzw. regelmäßig Krebse enthalten. Für den Aufenthalt von SES/P/1/2 im Germanonautilus -Gehäuse wäre auch ein Aufsuchen zur Nahrungsaufnahme (Reste des Weichkörpers von Germanonautilus ) denkbar. Der Krebs müsste dann, vielleicht infolge von Umlagerung und Verschüttung des Germanonautilus -Gehäuses, daran gehindert worden sein es wieder zu verlassen. Aufgrund der Fundsituation ist ein Nachweis dafür jedoch nicht zu erbringen. Dass gerade unvollständige Dekapodenreste wesentlich häufiger in Cephalopoden-Wohnkammern vorkommen, legt eher nahe, dass es sich dabei um Häutungsreste von solchen Tieren handelt, welche während und nach der Häutung in der Wohnkammer Schutz suchten. Denn auf den kaum verfestigten Böden des Muschelkalkmeeres zur Ablagerungszeit der Tonplatten standen ihnen nur im Sediment angelegte Baue als Schutzraum zur Verfügung.

Die vollständige Erhaltung eines Dekapoden allein ist bestimmt kein sicheres Indiz dafür, dass es sich dabei um ein lebend oder tot eingebettetes Individuum handelt. Beobachtungen an rezenten Flusskrebsen zeigen, dass ihre Exuvien nach der Häutung größtenteils mit eingeschlagenem Abdomen völlig unbeschädigt vorliegen. Die Tatsache, dass die Häutung an geschützten Stellen wie etwa in einem Cephalopoden-Gehäuse erfolgte, erhöht die Wahrscheinlichkeit für weitgehend unbeschädigte Erhaltung der Exuvie. Zu den typischen Merkmalen der Exuvienerhaltung gehören unnatürlich abgewinkelte oder neben dem Cephalothorax liegende Abdomen oder Pereiopodengruppen, vor allem aber das Fehlen der Augen. Bei allen untersuchten Flusskrebs-Exuvien fehlen die Augen. Auf die Muschelkalkdecapoden übertragen heißt dies, dass nur in Ausnahmefällen ein Fossil einer Leiche vorliegt. Von 70 Dekapoden aus der Lissocardia -Bank in Osthessen ( Garassino et. al. 2000) konnten trotz sorgfältiger Präparation lediglich bei einem Exemplar mit fehlenden ersten Pereiopoden die Augen nachgewiesen werden. Bei dem ähnlich umfangreichen und gut erhaltenen Thüringer Material von Pseudopemphix und Aspidogaster steht der Nachweis noch aus. Ansonsten liegt lediglich ein vollständiges Exemplar von Pemphix sueurii aus Nordhessen mit erhaltenen Augen vor. An der Erhaltungsfähigkeit derselben besteht also kein Zweifel. Bedenkt man, dass in intakten Ökosystemen nahezu alle anfallenden verwertbaren Reste von Organismen den natürlichen Stoffwechselkreisläufen zugeführt werden, verwundern diese Zahlen nicht. Hinzu kommt, dass auf halbverfestigten Weichböden lebende Dekapoden eine gewisse Fähigkeit zum Anlegen von gegrabenen Bauen und damit auch ein Potential zum Freigraben bei Verschüttung unterstellt werden kann.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Pseudopemphix zumindest zur Häutung Germanonautilus -Wohnkammern aufsuchte. Nachweise für Einmietung in Cephalopoden-Gehäusen fehlen. Dies würde voraussetzen, dass der lebende Krebs am Verlassen des Gehäuses gehindert worden wäre und verendete. Verantwortlich für plötzliche Verschüttung könnten Stürme oder allochthone Schlammlawinen von höhergelegenen Gebieten gewesen sein. Eine derartige Lagerstätte sollte dann aber vollständige Individuen auf engem Raum und in größerer Anzahl enthalten.

Es bleibt zu hoffen, dass weitere dem Schichtverband entnommene Krebse unter Beachtung der sedimentologischen Begleitumstände und die Aufarbeitung umfangreichen, noch unpräparierten Materials einiger Privatsammlungen nach und nach Wissenslücken schließen.

Erklärung der Abkürzungen

SMMS Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart
IGPH Institut für Geologie und Paläontologie Heidelberg
IGPG Institut für Geologie und Paläontologie Göttingen
SGN Sammlung Gümbel Neidhartshausen
SES Sammlung Erhard Stadtilm
CSG Sammlung Schulz Großenlüder
CHK Sammlung Hartinger Krautheim
MHI Muschelkalkmuseum Hagdorn Ingelfingen
SBE Sammlung Brandt Erfurt
SLP Sammlung Lehnhart Plaue

Dank

Ich danke Klaus Ehrhardt und Frank Gümbel für ihr Vertrauen und die Überlassung von Material zur Bearbeitung. Siegfried Rein und Willi Ockert stellten die Profile zur Verfügung. Siegfried Rein danke ich für die konstruktiven Dialoge und diverse Anregungen. Prof. Dr. Noor Farsan (Heidelberg), Prof. Dr. Max Urlichs (Stuttgart), Dr. Hans Jahnke (Göttingen) und Dr. Hans Hagdorn gewährten Einblick in die Sammlungen ihrer Institutionen, Michael Hartinger (Krautheim) in seine Privatsammlung. Elmar Kramm half bei der Erstellung der Vorlagen zu den Abbildungen 1 und 2. Dr. Hans Hagdorn gilt mein herzlicher Dank für Hilfe bei der Manuskriptgestaltung und in Fragen der Systematik.

Literatur

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