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300 Millionen Jahre Thüringen

(Ralf Werneburg*)

In der neuen Dauerausstellung des Naturhistorischen Museums Schloss Bertholdsburg Schleusingen werden Thüringer Landschaften von ihren erdgeschichtlichen Wurzeln bis in unsere Tage hinein präsentiert. Seen, Flusslandschaften, Wälder und Moore gibt es schon seit Millionen Jahren, aber was hat sich eigentlich verändert und was ist schon immer so gewesen? Diese Fragen ziehen sich als "Roter Faden" durch die neue landschaftsökologische Ausstellung, einem Projekt der Deutschen Bundesstiftung Umwelt.
Natürlich reicht die Erdgeschichte Thüringens weiter zurück. Aber seit dem jüngeren Karbon vor 300 Millionen Jahren lassen sich hier die fossilen Landschaften des Festlandes und Meeres mit musealen Mitteln recht gut darstellen. Schwerpunkt der Ausstellung ist die Entwicklung der terrestrischen und marinen Lebewelt aus Perm (inklusive Ober-Karbon) und Trias. Es wird kein Wert auf lückenlose Vollständigkeit gelegt, daher werden Jura und Kreide mit nur wenig erdgeschichtlichen Zeitzeugen in Thüringen übersprungen. Nach den Stationen Jungtertiär und Pleistozän gelangt man durch eine Zeitschleuse in die rezent-ökologische Ausstellung Thüringer Landschaften.
Da sich der Besucher die Landschaften der Erdgeschichte kaum vorstellen kann, werden die fossilen Lebensräume eingangs stets als Diorama präsentiert. Diese 11 naturnahen Landschaftsinszenierungen mit 100 verschiedenen Tier- und Pflanzenmodellen (ca. 400 Modelle insgesamt) sollen die Besucher vor allem auch emotional erreichen. In zweiter Instanz wird so hoffentlich das Interesse für die etwa 900 Fossilien als "kriminalistische Beweise" für die Dioramen geweckt. Kleine und große Umweltkatastrophen der Erdgeschichte werden vorgestellt, sei es das Massensterben von Fischen und Branchiosauriern im Rotliegend-See oder das Aussterben vieler Tiergruppen an der Wende Perm/Trias und Kreide/Tertiär. Hier reiht sich auch der stete Wechsel von Kalt- und Warmzeiten während des Quartärs ein, natürlich verbunden mit der Frage: Kommt eine neue Kaltzeit?
Neben den Dioramen und Digitalprinttafeln sollen vor allem Videosequenzen, PC-Programme, Lichteffekte und Geräuschkulissen den Slogan "Erlebnis Museum" rechtfertigen. An Arbeitsplätzen ermöglichen Stereomikroskope das Betrachten kleinster Fossildetails. Auch lebende Tiere, wie Leguane ("Sind die Saurier ausgestorben?") oder Urkrebse (Triopsiden als "lebende Fossilien"), sind vertreten.

Wichtige fossile Landschaften Thüringens:

  • Rotliegend-See mit Amphibien (Branchiosaurier und Sclerocephalus), Haien (Bohemiacanthus) und anderen Fischen
  • Rotliegend-Flusslandschaften mit dem 1,5 m langen "Manebacher Saurier" Onchiodon, dem 2,5 m langen Riesentausendfüßer Arthropleura und dem bis 2 m hohen Schachtelhalm-Sukkulenten Calamites gigas sowie (separat) diverse Reptilien (Diadectes, Haptodus, Seymouria) als Fährtenerzeuger
  • Rotliegend-Steinkohlenwald mit mehrere Meter hohen Bandblattbäumen (Cordaites), Baumfarnen (Psaronius, Scolecopteris) und Moorschachtelhalmbäumen (Calamites intermedius)
  • Zechstein-Kupferschiefermeer mit vielen Fischen, z.B. dem Quastenflosser Coelacanthus
  • Zechstein-Meeresufer mit den Reptilien Protorosaurus und Coelurosauravus) sowie Koniferen (Ullmannia)
  • Buntsandstein-Flusslandschaft mit diversen Reptilien als Erzeugern der Fährten im Chirotheriensandstein (Chirotherium, Rotodactylus, Dicynodontipus) sowie (separat) dem gavialartigen Amphib Trematosaurus
  • Muschelkalk-Meer mit Seelilien (Chelocrinus), Muscheln und kleinen Bastardsauriern (Cymatosaurus) aus dem Unteren Muschelkalk sowie (separat) der reichen Fauna des Oberen Muschelkalkes (z.B. Nothosaurus, Hybodus, Saurichthys, Quastenflosser, Ceratites, Germanonautilus, diverse Muscheln)
  • Keuper-See mit Amphibien (Mastodonsaurus, Gerrothorax) und diverser Ufervegetation (Equisetites, Neocalamites u.a.)
  • Keuper-Flusslandschaft mit südthüringer Dinosauriern (der Plateosaurier Ruehleia und der Theropode Liliensternus) oder Saurierfährten (Atreipus/Grallator, Brachychirotherium)
  • Miozän-Maarsee mit Fischen (Palaeoleuciscus) und dem bislang ältesten Braunfrosch (Rana cf. temporaria)
  • Pliozän-Erdfallsee mit Fischen und Amphibien, aber vor allem auch dem hineingestürzten mastodonten Elefanten (Mammut borsoni) und einem Hirschkälbchen (Eucladoceros)

Die neue Ausstellung hat eine Fläche von 800 m2 und ist im Residenzschloss Bertholdsburg in Schleusingen am Südabhang des Thüringer Waldes untergebracht. Sie eignet sich auch gut als Zwischenhalt für Studentenexkursionen.

Zusatzinfos zur Trias in der Ausstellung:

  • 356 Fossilien
  • 2 Dinosaurierskelettmontagen (Liliensternus und Plateosaurus)
  • 7 Dioramen mit "fossilen Landschaften", darin 40 verschiedene von insgesamt 580 Modellen fossiler Tiere und Pflanzen
    Buntsandstein
  • Perm/Trias-Krise (96 % der Meerestierarten sterben aus!)
  • Buntsandstein in Thüringen
  • Wie Handtierfährten entstehen
  • Saurierfährten auf der Spur
  • Landleben mit Sauriern, Krebsen und Pflanzen
  • Meerestiere des Rötmeeres
    Muschelkalk
  • Muschelkalk in Thüringen
  • Seelilien auf Hartgrundböden (Unterer Muschelkalk)
  • Stromatolithenriffe der Küstengewässer
  • Strandwanderung der Saurier (Fährten)
  • Spuren im Meeresboden
  • Ein kleiner "Nothosaurier" (Cymatosaurus)
  • Wunderwelt des Meeres (Oberer Muschelkalk)
  • Farbenfrohe Muscheln und Armfüßer
  • Die Kopffüßer Ceratites und Germanonautilus
  • Seelilienwiesen
  • Bastardsaurier und Fische
    Keuper
  • Keuper in Thüringen
  • Von Seen und Sümpfen bleiben Tone und Kohlen
  • Am Lande (Flusslandschaften und Hochgebiete)
  • Hugo Rühle von Lilienstern und sein Keuper
  • Thüringer Dinosaurier
  • Flachmeere und Salzseen.